Amateur Radio - Amateurfunk - Amateur Radio over Internet Protocol (ARoIP)

Begriffssortierung und Konsequenzen

An der Wende von den 70er- zu den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts erlebte der CB-Funk in Österreich seine Blütezeit. Der Amateurfunk beobachtete diese Entwicklung mit Reserviertheit: In vornehmer Zurückhaltung nahm er den Zulauf aus CB-Kreisen zwar auf, ließ den CB-Funk aber seine Überlegenheit und mitunter auch seine Verachtung deutlich spüren: Wohl befasste man sich auf beiden Seiten mit Technik und Kommunikation - aus Sicht der Funkamateure aber doch auf recht unterschiedlichem Niveau. Nicht wenige Hams grenzten sich daher ganz bewusst vom Jedermann-Funk ab: Als lizenzierter Funkamateur war man "wer" - und man war vor allem "besser"!

In gewisser Weise nahm die damalige Situation das heutige Verhältnis zwischen Funkamateuren und Internetfreaks vorweg: Auch heute befassen sich beide Gruppen mit Technik und Kommunikation, auf beiden Seiten gibt es neben der großen Masse ausgesprochene Könner und Spezialisten - und heute wie damals umgeben sich zahlreiche Old Men nur allzu gern mit dem Nimbus des Herrenreiters: Sie schauen distanziert und überlegen vom hohen Ross auf alles herab, was "nur" Internet ist und niemals Amateurfunk sein kann!

Die Frage ist: Wiederholen wir Funkamateure mit dieser Selbstabschottung nicht Fehler aus alten Zeiten? Brüskieren wir nicht abermals - diesmal allerdings ein Gegenüber, das weitaus potenter ist und zudem die Sympathien der Öffentlichkeit genießt? Ganz im Gegensatz zu uns "Störern", "Ortsbildverschandlern" und "Krankmachern"!

Wäre es nicht wesentlich klüger, die beiden "Welten" (die leitungsgebundene und die leitungsungebundene) nicht länger gegeneinander auszuspielen? Könnte man nicht beide Technologien innerhalb eines weiter als bisher verstandenen Technik- und Kommunikationshobbys zusammenführen, amateurmäßig betreiben und vom positiven Internet-Image profitieren? Und natürlich auch von den Möglichkeiten, die das Internet gerade in Verbindung mit dem Amateurfunk bietet?

Ansätze in diese Richtung gibt es in Österreich mindestens seit Inkrafttreten des Amateurfunkgesetzes 1998 bzw. der Amateurfunkverordnung 1999: Damals wurden erstmals offiziell von Seiten der Funkamateure Brücken (sogenannte Gates) zum Internet geschlagen - und je mehr es wurden, desto heftiger eskalierte der Streit: War das noch Amateurfunk - oder bereits Hochverrat?

Die Praktiker kümmerte das wenig: WWC, eQSO, iLink, IRLP, EchoLink, WIRES, iGate, APRS, D-Star, DMR, C4FM, QsoNet/CQ100, HamSphere, Peanut usw. breiteten sich in allen Teilen der Erde rasant aus und ermöglichten auch Funkamateuren ohne Kurzwellenzugang weltweites Amateurfunkfeeling.

Und wieder griff im deutschen Sprachraum das funkerische Establishment zu fragwürdigen Methoden: Anstatt die neuen Möglichkeiten als zusätzliches Betätigungsfeld zu würdigen und sie als eigenständige, den Amateurfunk ergänzende Entwicklungen zu begreifen, diskreditierte man sie als Telefon, Amateurfunksimulation für Altersheiminsassen, Krückenfunk für Antennengeschädigte, Babyphone - kurz: als Strom im Draht - nichts weiter! Technisch kein Funk und daher auch nicht zum Hobby gehörig. Punkt. Aus. Amen.

Nun weiß man freilich seit Ludwig Wittgenstein, dass die Grenzen unserer Sprache auch die Grenzen unserer Welt bedeuten. Das Wort Funk bzw. Amateurfunk zieht in Bezug auf unser Hobby eine solche Grenze, insofern es den "Drahtlosigkeitsaspekt" (engl. wireless) ganz stark in den Vordergrund rückt - viel stärker jedenfalls als etwa das angloamerikanische Amateur Radio. Zwar wird Amateurfunk in der Regel mit Amateur Radio übersetzt, bedeutungsmäßig sind die beiden Ausdrücke Funk und Radio aber nicht wirklich ident: „Radio“ geht nämlich auch dann noch als absolut passende Bezeichnung durch, wenn die Signalübertragung leitungsgebunden (z. B. via Internet - siehe Internet Radio) erfolgt; Funk setzt dagegen Leitungsungebundenheit zwingend voraus.

Dieser kleine aber beachtenswerte Bedeutungsunterschied zwischen den Begriffen Radio und Funk mag auch der Grund dafür sein, dass in englischsprachigen Ländern von Anfang an verhältnismäßig wenig Vorbehalte gegenüber Gates zwischen Amateur Radio und Internet bestanden, während der deutschsprachige Amateurfunk sich teilweise bis heute vehement dagegen wehrt und sich daran abarbeitet: Die Grenzen unserer Sprache scheinen tatsächlich die Grenzen unserer Welt zu markieren - auch unserer Hobbywelt!

Langer Rede kurzer Sinn: Der Begriff Amateur Radio ist umfassender als seine deutsche Übersetzung Amateurfunk. Amateur Radio kann bei zeitgemäßer Interpretation neben klassischem Amateurfunk auch alle Spielarten von Amateur Radio over Internet Protocol (ARoIP)(1) integrieren. Wollen wir daher unser Hobby bewusst durch ARoIP erweitern (nicht ersetzen!), sollten wir schnellstens die bestehenden sprachlichen Hindernisse aus dem Weg räumen. Lassen wir also endlich auch im deutschen Sprachraum die bedeutungsmäßigen Grenzen des Begriffs Amateurfunk hinter uns und forcieren wir stattdessen den weitaus zukunftsoffeneren und vor allem auch international üblichen Begriff Amateur Radio (gern in englischer Aussprache) für die Gesamtheit unseres Hobbys(2).

Epilog

Zukunftsträchtig war in diesem Zusammenhang die Namenswahl für den mitgliederstärksten einschlägigen Verband im deutschen Sprachraum - den Deutschen Amateur-Radio-Club e.V. (DARC): Amateur Radio statt Amateurfunk im Vereinsnamen deckt schon jetzt sämtliche Tätigkeitsfelder im Hobby ab - klassischen Amateurfunk ebenso wie bestimmte Arten leitungsgebundener Signalübertragung.

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1 Amateur Radio over Internet Protocol (ARoIP): IP-basierte Signalübertragung, die von Funkamateuren untereinander unter rechtskonform zuerkannten Amateurfunkrufzeichen genutzt wird. (Stichworte: WWC, eQSO, iLink, IRLP, EchoLink, WIRES, iGate, APRS, D-Star, DMR, C4FM, QsoNet/CQ100, HamSphere, Peanut, aber auch Foren im Internet, E-Mails usw.)

2 Dies gilt sinngemäß auch für andere Zusammensetzungen mit dem Wort Funk: So würde beispielsweise der Funkamateur in analoger Weise zum Radio Amateur, der zeitgemäßem Begriffsverständnis zufolge nicht mehr auf Funk allein festgelegt ist. - Eine derartige sprachliche Internationalisierung würde überdies das spezifisch deutsche Unterscheidungsproblem Funkamateur/Amateurfunker ein für alle Mal lösen.

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